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Tagebuch einer deutschen Tierärztin in Rumänien

Tagebuch einer deutschen Tierärztin in Rumänien 🐶🩺 – Vollversion von Rebecca Badekow

Was für eine aufregende Reise. Ich bin mit dem Tierschutzverein „Halona for dogs“ nach Rumänien gefahren, um dort hauptsächlich bei einer Kastrationskampagne zu helfen. Insgesamt sind wir 10 Tage unterwegs gewesen und quer durch Rumänien gefahren, um in verschiedenen Sheltern zu hospitieren. 🍀

08.10.2023

Anfangs war ich der Reise gegenüber sehr skeptisch, da ich schon so viele schreckliche Geschichten gehört habe. Am Sonntag, den 8.10.23, war es dann so weit. Um 5 Uhr morgens wurde ich von Mariella (1. Vorstand) und Marion (2. Vorstand) Zuhause abgeholt – ich war so aufgeregt. Weiter ging es zu Lischen, um unsere Karla Kolumna (so haben wir sie genannt, weil sie so unglaublich tolle Arbeit leistet, alles dokumentiert und sich intensiv um Social Media kümmert) abzuholen. Nun sind wir also komplett und es geht los Richtung Rumänien. Am ersten Tag sind wir knapp 12 Stunden Auto gefahren, drei Länder haben wir durchquert. Aus Deutschland ging es zunächst nach Tschechien, dann in die Slowakei und weiter Richtung Ungarn. Dort haben wir die erste Nacht verbracht. 🐾

09.10.2023

Montag ging es dann endlich weiter nach Rumänien. Auf der Autobahn habe ich zum Glück noch keine Hunde gesehen, doch als wir die Autobahn verlassen haben und Richtung Karpaten gefahren sind ging es los. Plötzlich haben wir einen Straßenhund nach dem nächsten gesehen, einige in besserer, andere in schlechterer Kondition. An einer Schnellstraße haben wir mehrere Welpen gesehen, diese waren teilweise stark verwurmt und wurden von einem älteren Mann mit Futter und Wasser versorgt. Wir wollten die Kleinen einfangen. Die Gefahr, dass sie bei einem Einfangversuch auf die viel befahrene Schnellstraße laufen war aber leider viel zu hoch. Daher blieb uns nichts anderes übrig als dem älteren Mann Futter und Wurmkuren zu überlassen. Wir haben bei so vielen Hunden wie möglich gehalten, um sie wenigstens zu füttern und bei Bedarf eine Wurmkur zu verabreichen. Viele Hunde leben super gefährlich an viel befahrenen Straßen. An einer Tankstelle haben wir einen älteren Kater getroffen. Ich war erstaunt wie lieb und zutraulich er war. Wir haben viel mit ihm gekuschelt und ich habe ihn direkt untersucht. Er hatte vergrößerte Lymphknoten und war sehr dünn. Ich hätte gerne so viel für ihn getan. In Deutschland hätte man ihn mitnehmen können, Blut abnehmen, ordentlich untersuchen, kastrieren und ihm dann ein schönes Zuhause bieten können. Schnell musste ich einsehen, dass man hier nicht jedem Tier helfen kann und mein erster Tiefpunkt kam. Wir haben in unserem nächsten Hotel eingecheckt, um am nächsten Tag Sebastian und Cristina in ihrem Shelter zu besuchen. Ich war gespannt was wir dort alles sehen würden.

10.10.2023

Mittwoch haben wir uns morgens direkt auf den Weg zum Tierheim gemacht und bis dorthin noch einige Straßenhunde gefüttert.

Wir haben häufig auch säugende oder tragende Hündinnen gesehen. Wenn man sich ausrechnet wie viele Welpen jedes Jahr geboren werden, wie viele Welpen diese Tiere noch weiterhin gebären können und sich das hochrechnet, dann kommt einfach eine erschreckend hohe Zahl an Tieren dabei raus. Tiere, die wahrscheinlich niemals das Glück haben gefüttert zu werden, ein Zuhause zu finden, nicht überfahren zu werden oder von Hundefängern eingefangen zu werden. Entweder werden sie für immer ein tristes Leben in überfüllten Sheltern führen oder ein Ende in einer Tötungsstation finden. Drei Junghunde haben unser Futter dankbar angenommen, wurden mit Wurmkuren versorgt und da alle drei noch unkastriert sind, haben wir Sebastian und Cristina gebeten diese demnächst einzufangen, um sie kastrieren zu lassen.

Angekommen im Shelter, war ich positiv überrascht. Nach kurzer Zeit wurden viele Hunde aus ihren Zwingern geholt und sie liefen die ganze Zeit im Rudel mit uns auf dem Gelände herum. Es war so sauber, kaum Hundekot und verhältnismäßig viel Platz für die Hunde in ihren Zwingern. Allen Hunden ging es für die Umstände gut, sie waren gut genährt und viele von ihnen zauberhaft und zutraulich. Nun weiß ich natürlich, dass dieses Schicksal nur wenigen Hunden in Rumänien vorbehalten ist. Solange keine Pflege- und Endstellen in Deutschland gefunden werden ist kein Platz frei, um den Hunden dort im Shelter weiterhin ein angemessenes Leben zu bieten.

„Lennox“ war der erste Hund, der mein Herz berührt hat. Der erste von dem ich dachte „du wärst für so viele Menschen in Deutschland der perfekte Hund“. Der mittelgroße Junghund war verspielt und total verkuschelt. Er wollte ständig bei uns auf dem Schoß sitzen, da er bereits kastriert und ausreichend geimpft ist, könnte er auch direkt mit nach Deutschland… Aber wo sollten wir so schnell eine Pflegestelle finden? Also bleibt Lennox erst mal dort. Da er es gut hat, fällt es einem nicht so schwer ihn vorerst in Rumänien zu lassen, allerdings wäre natürlich wieder Platz für einen Straßenhund, wenn wir ihn mitnehmen würden. Wir haben ein paar Hundehütten gebaut und das war ein tolles Gefühl. Man hatte das Gefühl wirklich helfen zu können und es – bevor der Winter kommt – den Hunden so „angenehm wie möglich“ zu machen.

Dann sah ich Kali. Eine für mich unglaublich hübsche Hündin. Ich fragte mich, wieso sie alleine, ohne andere Hunde im Zwinger sitzt. Sebastian erklärte mir, dass sie leider absolut unverträglich mit anderen Hunden ist und auch mit Menschen schwierig sein kann, wenn sie beispielsweise zurück in ihren Zwinger soll und dies nicht will. Sie sieht meiner Hündin Mayla sehr ähnlich und diesen Dickschädel kenne ich nur zu gut 🙂 Ich bin mit Sebastian in Kalis Zwinger gegangen und war direkt verliebt. Sie ist einfach super glücklich, wenn man sich mit ihr beschäftigt, springt sie wie eine Wilde hin und her. Leider gibt es aufgrund ihrer Rasse (Pitbullmischling) und der Unverträglichkeit keine Möglichkeit sie mit nach Deutschland zu nehmen und dort ordentlich zu vermitteln. Sie bleibt also – wahrscheinlich – ein Leben lang alleine in ihrem Zwinger… Ich bin unendlich traurig. Nun möchte ich ihr ab und zu ein Paket mit Spielzeug und co. schicken und Geld spenden, damit sie einen größeren Zwinger mit Auslauf und eine neue Hütte bekommt.

11.10.2023

Mittwoch sind wir erneut bei Sebastian und Cristina gewesen, dort haben wir einen Verbandswechsel bei Hope gemacht. Hope wurde von einem Zug angefahren und lag mehrere Tage bei den Bahngleisen ohne sich bewegen zu können, vor lauter Hunger hat sie dort Steine gefressen. Ihre Hinterläufe sind versteift und ihre Vorderläufe wurden bereits operiert. Leider ist die Platte nach der Operation rausgerissen, daher wurde die kleine Maus nun erneut operiert. Ihre Implantate wurden entfernt und man kann nur hoffen, dass sie auch ohne Implantate irgendwann laufen kann. Nun ging es weiter nach Campina. Bei unserem Hotel kam dann plötzlich mein Ursus (lateinisch Bär, nach rumänischem Bier benannt) ein süßer junger Kater der direkt unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und geschmust hat wie ein ganz Großer. Wir waren uns alle einig – Ursus muss nach Deutschland – er hat uns mit ins Hotelzimmer begleitet, lag auch schon in meinem Koffer und hat sich wirklich die größte Mühe gegeben 🙂 Julia hat sich darum gekümmert, dass Ursus eingefangen wird, kastriert und geimpft wird, damit er Ende des Jahres nach Deutschland kommen kann 🥰

12.10.2023

Am Donnerstag haben wir uns mit Julia getroffen. Julia ist erst 27 Jahre jung und setzt sich unglaublich für den Tierschutz ein.

Sie hat einen eigenen Shelter mit vielen älteren und kranken Hunden. Außerdem hat sie uns noch zwei weitere Shelter gezeigt, in denen die Verhältnisse der Hunde zum Glück verhältnismäßig gut waren. Dann sind wir mit Julia noch in ein kleineres Romadorf gefahren, um dort die Besitzer:innen von Kastrationen zu überzeugen. Das erste Mal auf der Reise war ich wirklich schockiert. So viele Hunde und Katzen und überall Welpen zwischen dem ganzen Müll. Die Menschen dort leben in ärmlichsten Verhältnissen und die Tiere vermehren sich dort ohne Kontrolle. Einige von den Welpen dort haben das Parvovirose-Virus und sterben wahrscheinlich innerhalb weniger Wochen qualvoll und man kann einfach nichts machen 😔 Umso wichtiger ist es, die Tiere alle zu kastrieren, damit den Welpen ein Leben voller Krankheit, Hunger, Durst und Unfällen erspart wird…von den Hundefängern und den Tötungen in Rumänien ganz zu schweigen.

Abends hat Ursus unser kleiner Kater uns sofort wieder im Restaurant besucht und sich sehr über die Kuscheleinheiten gefreut.

Julia möchte mit uns morgen die zwei Hündinnen aus dem Romadorf abholen, um diese direkt kastrieren zu lassen und dann in ein weiteres, etwas größeres Romadorf, fahren. Dort brauchen wir laut Julia Unterstützung von der rumänischen Polizei, da es dort gefährlich sein könnte. 😳

13.10.2023

Heute am Freitag haben wir uns früh morgens mit Julia getroffen. Dann haben wir die zwei Hündinnen zur Kastration abgeholt und direkt in die Tierarztpraxis in Campina gebracht. Nun ging es weiter in das größere Romadorf. Auf dem Weg dorthin haben wir Straßenhunde getroffen, welche unkastriert waren. Wir haben die große Hündin und den Junghund direkt eingefangen und ebenfalls zur Kastration in eine Tierarztpraxis gebracht. Vor dem Romadorf haben wir uns nun mit einer Polizistin getroffen und sind von Haus zu Haus gegangen, um die Frauen und Männer von den Kastrationen ihrer Tiere zu überzeugen. Zum Glück waren alle sehr aufgeschlossen und schnell hatten wir die ersten Hündinnen zur Kastration in unserem Auto. Uns wurde außerdem eine kleine Hündin in die Hand gedrückt mit den Worten „die wollen wir nicht mehr“. Wir haben sie Gipsy genannt und sie in die Halona-Familie aufgenommen. Nun wird sie in Rumänien tierärztlich versorgt, da sie Atemgeräusche aufwies. Wenn sie dann kastriert und geimpft wurde und sich eine Pflegestelle findet, darf sie Ende des Jahres nach Deutschland reisen. Eine Dorfbewohnerin wollte uns ihre Hündin nicht zur Kastration überreichen und wurde direkt versucht von den anderen Dorfbewohner:innen davon zu überzeugen. „Toll“ dachten wir, hier findet ein Umdenken statt und die Menschen hier sehen, wie wichtig die Kastrationen sind, um Leid der Tiere nachhaltig zu reduzieren. Auf dem Rückweg haben wir noch eine weitere Straßenhündin eingefangen, um alle zusammen in die Tierarztpraxis zu bringen. Für uns geht es nun weiter nach Lugoj zu den Kastrationskampagnen am Wochenende. ✨️

14.10.2023

Heute ist die erste Kastrationskampagne in einem Dorf namens Gabodja mit Tierarzt Darius, Simon, Daniel und dem Team von Free Amely. Ich war erstaunt wieviele Menschen ihre Tiere bringen. Heute wurden 89 Tiere kastriert. Morgen treffen wir uns beim Tierheim Free Amely zur nächsten Kastrationskampagne. Gegenüber von unserer Kampagne war ein Kinderheim, dort haben wir Dennis kennengelernt. Dennis hat mehrere Jahre in Deutschland gewohnt und wurde mit seiner Schwester zusammen von seiner Mutter zurück nach Rumänien „abgeschoben“. Da seine Schwester bereits 18 Jahre alt war, ist sie zurück nach Deutschland gereist und Dennis blieb im Kinderheim zurück. Er hat sich mit anderen Kindern dort um einige Straßenhunde gekümmert und diese auch zur Kastration gebracht. Wir waren berührt über seine Geschichte und seinen Einsatz für die Tiere vor Ort. ❤️ Dennis brachte uns einen Welpen und fragte, ob wir sie kastrieren können. Die Maus war aber gerade mal 10 Wochen alt und deshalb entschieden wir sie ins Tierheim aufzunehmen, um das Risiko einer baldigen Trächtigkeit auf der Straße zu umgehen. Lischen war sofort verliebt und dank der Namenspatin heißt sie nun Avy. Die kleine Avy wurde geimpft und wartet nun darauf nach Deutschland ausreisen zu dürfen.

15.10.2023

Heute stand die nächste Kastrationskampagne an und es wurden weitere 81 Tiere mit dem Free Amely Tierheim als Gastgeber kastriert. Unter anderem wurde eine Straßenhündin gebracht. Diese war leider in einem sehr schlechten Zustand und sehr dünn, weshalb sie eine Intensivversorgung in Form von extra Wärme und Infusion benötigte um die Narkose zu überstehen. Wir haben uns alle in die etwa zwei Jahre alte und ganz liebe Hündin verliebt und haben sie nun Phibie genannt. ✨️🍀 Die kleine Maus wird bald geimpft, wenn sie sich erholt hat und kann dann auch Ende des Jahres nach Deutschland einreisen.

16.10.2023 – 17.10.2023

Unsere Rückreise nach Deutschland war etwas bedrückend. So viele Hunde die wir zurück lassen mussten, so viele Hunde und Katzen denen wir nicht helfen konnten und andererseits so viel Tierleid das wir verringern konnten. Wir haben alle nicht nur ein Mal weinen müssen. Die Rückreise war sehr emotional. Nun schwirren mir so viele Gedanken durch den Kopf. Wie kann man aus Deutschland die rumänischen Straßentiere unterstützen? Was muss sich ändern? Wieso arbeitet die rumänische Regierung so gegenan und ändert nichts?

Ich habe meinen größten Respekt vor der Arbeit von allen Tierschutzorganisationen die sich so toll engagieren, ich bin Halona for dogs sehr dankbar für die vielen Einblicke und ihre unermüdliche Arbeit. Ich bitte jeden vom Herzen der Halona-Familie in Form einer Fördermitgliedschaft unter die Arme zu greifen oder eine Pflegestelle zu werden, für die vielen hilfebedürftigen Tiere aus Rumänien die es so sehr verdient haben ein warmes Körbchen in Deutschland zu bekommen. Während ich hier sitze und schreibe, gucke ich meine Mayla an und habe Tränen in den Augen. Wäre sie nicht aus der Tötung gerettet worden und dann von Halona for dogs nach Deutschland gebracht worden, wäre sie nun vermutlich tot. 😭 Mein kleines Baby, meine Straßenhündin aus Rumänien die jede Nacht unter meiner Bettdecke schläft und mir so viel mehr Liebe gibt als es Menschen jemals könnnten. 💕

Halona for dogs, ich danke euch und verneige mich vor eurer unermüdlichen Arbeit. Bitte gebt niemals auf. Ich weiß ihr könnt nicht jedes Tier retten, aber ihr habt schon so vielen Tieren das Leben gerettet. Ihr macht das super und seid mit so viel Leidenschaft, Liebe und Kampfgeist dabei. 🍀🐾